"Die Putzplannummer hat nie geklappt"
Das zehnjährige Jubiläum des Bestehens des Bunten Hauses ziemlich lautlos über die Bühne. Als im Januar 1996 das erste Konzert im neuen Zentrum stattfand, war nicht unbedingt zu erwarten, dass es die nächsten zehn Jahre überlebt. Wir wollen keinen großen Rückblick starten, aber mal nachfragen, wie der Stand der Dinge ist.
Warum gab es keine Geburtstagsfeier?
Weihnachten hatten wir ja schon das übliche große Familientreffen mit vielen Ehemaligen. Und dann war es doch sehr passend und für das Zentrum charakteristisch, sich nicht in betulichen Rückblicken zu ergehen, sondern sich den ganzen Geburtstagsmonat mit Info- Veranstaltungen und Konzerten gegen den ursprünglich geplanten Naziaufmarsch einzumischen. Vielleicht basteln wir in den nächsten Wochen noch eine Ausstellung und machen im Sommer eine Jubiläumsfeier.
Die Veranstaltungen gegen den geplanten Nazi- Aufmarsch waren, was wir so mit bekommen haben, ja auch außerordentlich gut besucht.
Ja klar. Da sind einige hundert Leute durchs Haus gegangen, vor allem natürlich bei den Konzerten. Aber auch die Info-Veranstaltungen waren sehr gut besucht. Und vor allen Dingen kann man schon festhalten, dass hier im Zentrum die einzigen inhaltlichen Veranstaltungen zum Neofaschismus gelaufen sind.
Konzerte bzw. Partys und auf der anderen Seite politische Veranstaltungen - dieses Konzept lässt sich ja auch über die ganzen zehn Jahren beobachten. Gibt es da Entwicklungen?
Eine Vorbemerkung ist nötig. Wir machen nicht ein Programm für ein Publikum, sondern: Das Bunte Haus ist ein selbstverwaltetes Zentrum, bei dem sich die Aktivitäten - also auch die Veranstaltungen - aus den Interessen und Bedürfnissen jener ergeben, die sich im Haus oder zumindest im Milieu bewegen. Nehmen wir als ein Beispiel die Konzerte. Die werden veranstaltet von Leuten, die Spaß daran haben, also den ganzen technischen und Organisatorischen Aufwand zu bewältigen und dann auch den Kontakt zu den Bands und die Resonanz der BesucherInnen zu kriegen. Das läuft im Augenblick bestens. Zum einen, weil es neben der hausinternen Konzertgruppe mit "Josa" auch einen fitten Kooperationspartner gibt, so dass auch unterschiedliche Geschmäcker angesprochen werden. Zum anderen, weil das Konzept scheinbar gerade stimmt, also: drei, vier Bands an einem Abend für relativ wenig Eintritt bei günstigen Getränkepreisen. Die Konzerte - wie übrigens auch die großen Deka-Dance-Partys - sind im Schnitt so gut besucht wie nie. - Die politischen Veranstaltungen auf der anderen Seite werden zur Zeit ja eher nicht vom Haus selbst, sondern von Initiativen gemacht, die ihre Treffen hier haben. Aber es gibt schon einen gruppenübergreifenden Diskussionszusammenhang, so dass man sagen könnte, zum einen werden politische Veranstaltungen zu Themen gemacht, die auf der Tagesordnung stehen - wie jetzt eben im Bereich AntiFa, zum andern geht's auch relativ klassisch um Bildungsveranstaltungen. Es wird also versucht, Möglichkeiten zur Information und zum Austausch über Fragen von Bedeutung oder Interesse zu geben.
Gibt's über die zehn Jahre eine Tendenz, was die Zahlen von BesucherInnen oder NutzerInnen betrifft?
Erfreulicherweise kann man sagen, dass die Nutzungsintensität über die Jahre permanent zugenommen hat. Konzerte und Partys sind so gut besucht wie nie. Im letzten Jahr hatten wir an die 8000 BesucherInnen. Die Alltagsnutzung gestaltet sich immer um die jeweiligen Interessen. Das heißt, Gruppen kommen und Gruppen gehen. Eine ganz erfreuliche Tendenz ist vielleicht, dass es nicht mehr vor allem SchülerInnen sind, wie in den Anfangsjahren, die das Zentrum schmeißen. Heute sind Auszubildende dabei, Arbeiter, Erwerblose, Zivildienstleistende usw. Und auch der Konflikt, den es mal mit Punks gab - alte Geschichten, die nicht mehr erzählt werden wollen -, ist seit längerer Zeit vom Tisch. Im Unterschied zu den ersten Jahren haben wir MigrantInnen als AlltagsnutzerInnen im Haus. Nicht so toll ist im Augenblick, dass relativ wenig Frauen sich ins Zentrumsmanagement einbringen.
Die Fluktuation im "Management" ist dann auch nicht mehr so ein ganz großes Problem?
Doch. Das ist schon jedes Mal bitter, wenn SchülerInnen, die zwei, drei Jahre zu den Aktivposten gehört haben, sich zum Studieren in die Großstädte verabschieden. Man könnte die Geschichte des Bunten Hauses also durchaus als Generationengeschichten erzählen; mindestens drei dürften es - je nach Betrachtungsweise - mittlerweile sein. Vielleicht muss man aber auch die Vorteile sehen: Jede neue Generation stellt mal was von dem in Frage, was der vorhergehenden als ehernes Gesetz galt. Und es gibt neue Ideen, jeweils eine größere Nähe zu neu entstehenden Subkulturen. Aber es stimmt schon, um auf die Frage zurückzukommen: Da es auch Leute gibt, die nicht unbedingt studieren oder abwandern wollen, könnte es künftig ein mehr an Kontinuität geben.
Das Verhältnis zur CD Kaserne gestaltete sich in den vergangenen zehn Jahren ja nicht immer konfliktfrei. Wie ist das die aktuelle Situation?
Man muss sich erst mal eins klar machen. Das zentrale Verhältnis zwischen "Kaserne" und Buntem Haus ist das zwischen Vermieter und Mieter. Da gibt es Konflikte, weil es an dem einen oder anderen Punkt unterschiedliche Interessen gibt - also mal platt gesagt, wie im normalen Leben will der Mieter, dass der Vermieter die Reparatur des tropfenden Wasserhahns bezahlt, und der Vermieter hat eine ganz bestimmte Vorstellung davon, wie ein geputztes Treppenhaus auszusehen hat. Wir sind immer der Auffassung, dass sich fast jedes Problem lösen lässt. Nur muss man beim Lösungsweg unsere Bedingungen, also selbstverwaltetes Zentrum mit ausschließlich ehrenamtlichen MitarbeiterInnen, mit einbeziehen. Das klappt mal gut und mal dauert es länger, bis ein konsensfähiger Weg gefunden ist. Aber nachdem es im letzten Sommer eine intensivere Auseinandersetzung gegeben hat, funktioniert es aus unserer Sicht aktuell zufriedenstellend.
Gibt es auch Kooperationen zwischen Kaserne und Buntem Haus?
Im technischen Bereich gelegentlich, ansonsten eher nicht. Die beiden Einrichtungen arbeiten sehr unterschiedlich. Die einen professionell und mit entsprechendem Etat, und wir eben selbstverwaltet und ehrenamtlich. Wir sprechen ja auch unterschiedliche Spektren an. Das Bunte Haus hat im Veranstaltungssektor ein sehr jugendliches Publikum, bei Konzerten dürfte der Altersdurchschnitt unter 25 Jahren liegen, während die Kaserne doch eher ein Publikum ab 25 aufwärts bedient. In gewisser Weise ergänzt sich das sehr gut. Also auch wenn Veranstaltungen z.B. zeitparallel laufen, macht man sich in aller Regel keine Konkurrenz.
Und im politischen Bereich - gibt es da Konflikte?
Es gab ja in der Vergangenheit einige Auseinandersetzungen. Zuletzt ja vor drei Jahren mal wegen einer Veranstaltung zum PKKVerbot. Aber gerade darüber hat sich einiges geklärt. Das Bunte Haus muss sich selbstverständlich weder von der Stadt, noch vom Vermieter in seine politischen Äußerungen oder seine Form politischer Bildungsarbeit hineinreden lassen - und es kann sich auch niemand als formale Kontrollinstanz aufspielen. Um ein Beispiel zu sagen: Selbstverständlich kann das Zentrum der Gewerkschaft ver.di das Haus als Streiklokal zur Verfügung stellen, ohne vorher bei irgendwem fragen zu müssen. Zu Recht aber zeigt ich der Geschäftsführer der CD-Kaserne irritiert, wenn die Gewerkschafter in einem Rundschreiben die CD-Kaserne als Ort des Streiklokals angegeben hatte.
Nebenbei gefragt: Wie ist das überhaupt zustande gekommen, dass das Bunte Haus als Streiklokal genutzt wurde?
Die Gewerkschaft hat angefragt und wir fanden's gut. Es gibt heute praktisch keine "Schwellenängste" mehr gegenüber dem Bunten Haus, sondern nur noch die Frage, ob das Zentrum für das, was man will, räumlich und organisatorisch taugt. Da geht vieles, aber auch nicht alles. Für Veranstaltungen, die einen irgendwie repräsentativen Rahmen brauchen, ist's in der Regel nicht der Hit, weil eben keine Ein-Euro-Putzkolonnen vor und hinter einem herwischen. Diese Art von Dienstleistungsanspruch gibt es erstaunlicherweise eher bei Gruppen mit höherem Altersdurchschnitt. Die würden teilweise lieber was zahlen, als selbst aufzuräumen und zu putzen. Bei den jüngeren Aktivisten, die aber auch eine höhere Schmutztoleranz aufweisen, ist das nicht so. Es gilt eigentlich die Regel: Wer Dreck macht, sollte ihn beseitigen. Und wer sich über Unordnung nervt, sollte einfach anfangen aufzuräumen.Die ganze Putzplan-Nummer hat nie geklappt und ist schon lange nicht mehr auf der Tagesordnung gewesen.
Wie sieht es finanziell aus?
Es ist hierzu wichtig festzuhalten, dass das Zentrum zwar mietfrei betrieben wird, aber als einzigen laufenden öffentlichen Zuschuss vom Vermieter eine Energiekostenpauschale von 4908,40 Euro im Jahr frei hat. Für Programmgestaltung gibt's nichts und die ganzen Alltagskosten - Versicherungen, Müll, Telefon, Reparaturen, Gema - müssen selbst erwirtschaftet werden. So hängt dann einiges davon ab, dass die Partys gut laufen, denn das ist die wesentliche Einnahmequelle. Deshalb an dieser Stelle auch mal ein öffentlicher Dank an all jene, die sich da mit Lust und Energie reinhängen. Und es gibt ein paar Leute, die gelegentlich ans Bunte Haus spenden. Auch hierfür: Vielen Dank. Ansonsten läuft viel über Kooperationen. Politische Veranstaltungen werden im wesentlichen von den Initiativen finanziert, demnächst zum Beispiel über den Rosa Luxemburg Club. Bei den Konzerten spielen die Bands meist für sehr geringe Gagen bzw. für Fahrtkosten, so dass dieser Bereich sich zur Zeit auch selbst trägt. Insgesamt sind aber selbstverständlich auf dieser Basis in der Programmgestaltung und auch in Teilen der Haustechnik Grenzen gesetzt. Nur mal ein Vergleich: Ein Veranstaltungsbesuch bei uns wird unterm Strich über die Energiepauschale mit 50 Cent gefördert, beim Schlosstheater sind es 40 Euro pro BesucherIn, also das 80-fache. Weitgehend ohne öffentliche Zuschüsse auszukommen, bringt aber auf der anderen Seite auch eine enorme Freiheit, weil wir unser Konzept und unsere Preise nur gegenüber den BesucherInnen und NutzerInnen zu vertreten haben.
Und größere Investitionen kamen von der Landesarbeitsgemeinschaft Soziokultur?
Ja, fast vergessen. Die LAGS hat die Baumaßnahmen gefördert, die einen Betrieb überhaupt erst bau- und veranstaltungsrechtlich möglich gemacht haben. Leider gibt's die nur noch als Beratungsinstitution, aber nicht mehr als Vergabeinstanz der Landesmittel. Die Verteilung dieser Mittel ist für unsere Region auf die "Lüneburger Landschaft" übergegangen. Da haben wir eher Bedenken, ob unsere Anliegen da künftig zu Tragen kommen können - aber bisher überhaupt keine Erfahrung, vielleicht haben die ja auch ein Herz für Soziokultur.
Die Neonazis haben mit der Forderung nach Schließung des Bunten Hauses zuletzt wieder eine Geschichte ausgegraben, die sie schon vor fünf Jahren mal versucht haben. Wie seht ihr diese Kampagne?
Es ist auf der einen Seite ärgerlich, weil sie die "links gegen rechts"-Nummer bedienen wollen. Und dass manche rinks und lechts absichtsvoll gern verwechseln, sieht man ja bei Celles Polizeichef Gerd Schomburg. Auf der anderen Seite ist es bei dem ausgeprägten Freund-Feind-Denken der Neonazis kein Wunder. Das Bunte Haus ist eben auch ein antifaschistisches Zentrum. D.h., wir versuchen mit einer gewissen Kontinuität, über Neofaschismus aufzuklären. Dazu kommt, dass die Ausstrahlungskraft des Hauses als Focus von links-alternativer Jugendkultur in Celle es den Neonazis unmöglich macht, dagegen vor Ort so etwas wie eine tragfähige rechte Subkultur zu etablieren. Selbst auf einer eher unpolitischen Ebene ist es in Celle eben weit mehr "chic", ins Bunte Haus zu gehen, als "thor steinar"-Klamotten zu tragen. Im Unterschied zur Situation vor fünf Jahren kann man jetzt auch den Eindruck haben, dass die Stadt und die Cellesche Zeitung dies verstanden haben. Wir müssen also nicht mehr ausführlich erklären, dass wir "die Guten" sind."